Er lasst die Hand küssen
Om bogen
Der österreichische Schauspieler Simon Pichler liest „Er lasst die Hand küssen“, Pichler hat langjährige Erfahrung als Sprecher im Radio und Moderationen. Bekannt wurde er mit dem gemeinsames Kabarettprogramm mit Leo Lukas.
Meine Großmutter erkundigte sich nach dem Jungen und hörte, er sei ein Häuslersohn, zwanzig Jahre alt, ziemlich brav, ziemlich fleißig und so still, dass er als Kind für stumm gegolten hatte, für dümmlich galt er noch jetzt. – „Warum?“, wollte die Herrin wissen; „warum galt er für dümmlich?“ Die befragten Dorfweisen senkten die Köpfe, blinzelten einander verstohlen zu, und mehr als: „So ja eben so“, und: „je nun, wie‘s schon ist“, war aus ihnen nicht herauszubringen.
Nun hatte meine Großmutter einen Kammerdiener, eine wahre Perle von einem Menschen. Wenn er mit einem Vornehmen sprach, verklärte sich sein Gesicht dergestalt vor Freude, dass er beinahe leuchtete. Den schickte meine Großmutter anderen Tages zu den Eltern Mischkas mit der Botschaft, ihr Sohn sei vom Feldarbeiter zum Gartenarbeiter avanciert und habe morgen den neuen Dienst anzutreten.
Marie von Ebner-Eschenbach: geboren am 13.9.1830 auf Schloss Zdislawic/Mähren, gestorben am 12.3.1916 in Wien, stammte väterlicherseits aus altösterreichischem, mütterlicherseits aus norddeutsch-protestantischem Geschlecht. Sie heiratete 1848 ihren Vetter Moritz, Professor an der Ingenieur-Akademie in Wien, später Feldmarschallleutnant und Mitglied der Akademie der Wissenschaften; die Ehe blieb kinderlos. Sie lebten 1848-1850 in Wien, bis 1856 in Klosterbruck bei Znaim, danach in Wien und Zdislawic. 1879 machte sie eine Uhrmacher-Ausbildung. 1898 wurde sie mit dem höchsten Zivilorden Österreichs, dem Ehrenkreuz für Kunst und Literatur, ausgezeichnet und war 1900 erster weiblicher Ehrendoktor der Wiener Universität.