Meine berühmte Mama
Mami Classic 66 – Familienroman
Om bogen
Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt! Buchstäblich ein Qualitätssiegel der besonderen Art, denn diese wirklich einzigartige Romanreihe ist generell der Maßstab und einer der wichtigsten Wegbereiter für den modernen Familienroman geworden. Weit über 2.600 erschienene Mami-Romane zeugen von der Popularität dieser Reihe.
Es war ausgerechnet ein ungewöhnlich kühler Apriltag, an dem Frau Professor Gessner in einem lavendelblauen Kostüm vor ihre Studenten trat. Die jungen Damen unter ihrer Zuhörerschaft tauschten vielsagende Blicke aus. Einige kicherten sogar leise. Die gefürchtete Professorin, von vielen nur Eis-Renata genannt, ließ sich doch nicht etwa von Frühlingsgefühlen treiben? Sonst kleidete sie sich eher wie eine nicht mehr junge, aber doch ziemlich graue Maus, bevorzugte Strickwaren in allen Breiten und Längen und liebte Farben, die eher düsteren Schattierungen glichen. Und heute? Sie, die als Leiterin des mathematischen Institus so vorbildlich musterhaft beherrscht und pflichtbewußt ihrer Verantwortung nachging, wollte doch nicht etwa im hohen Alter von über Sechzig ein neues Leben beginnen? Renata Gessner bemerkte das Getuschel, aber es störte sie nicht. Noch nie hatte sie sich etwas aus den Gefühlen anderer gemacht. Freude, Heiterkeit und alles andere, was für junge Menschen lebensnotwendig war, galt in ihren Augen als lästige Störung im Ablauf des Alltags. Sie dachte schon gar nicht daran, ein neues Leben zu beginnen. Auch, wenn heute ein besonderer Tag war. Ihr einziger Sohn Martin würde ihr nach sieben Jahren zum ersten Mal wieder gegenüberstehen. Gegen Abend verließ Renata das Institut eine Stunde früher als sonst, nahm sich ein Taxi und fuhr zum Bahnhof. Im Auto prüfte sie ihr Aussehen ganz flüchtig im Spiegel und strich sich das graue Haar ordentlich aus der Stirn. Solange sie denken konnte, trug sie einen strengen Scheitel und einen zur Schnecke gesteckten Zopf im Nacken. Heute sollte keins ihrer Haare, die mit zunehmendem Alter immer weißer und störrischer wurden, stören. Renata wollte ihren Sohn Martin so empfangen, wie er sie in Erinnerung hatte. Ordentlich und korrekt, diszipliniert und zuverlässig. Das letzte Mal, als Martin aus Argentinien in die kleine Universitätsstadt gekommen war, da hatte die Beerdigung seines Vaters stattgefunden.