Zwecks späterer Heirat …
Mami 1958 – Familienroman
Om bogen
Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami.
Das Städtchen Neuendorf, im Herzen Mecklenburgs gelegen und von drei Seen umgeben, war gewiß kein besonders attraktives Ausflugsziel für Leute, die unbedingt viel erleben wollten. Wer hier wohnte oder Urlaub machte, liebte das friedliche, ländliche Leben und nicht die Betriebsamkeit und Hektik der Großstadt. Offenbar war aber in den letzten Jahren der Wunsch nach Ruhe und Beschaulichkeit größer geworden, so daß Ausflugslokale und Pensionen über Mangel an Gästen nicht zu klagen hatten. Die Sehnsucht nach unberührter Natur trieb Wanderer aller Arten, ob mit Rad oder Boot oder ganz einfach auf Schusters Rappen, in die dünnbesiedelte Landschaft, wo seltene Tier- und Pflanzenarten noch ihren natürlichen Lebensraum hatten. Sehr gern marschierten die Erholungssuchenden auch durch die malerische Vorstadt, die viele der Einheimischen recht poetisch den ›Wiesengrund‹ nannten. Die alten Häuser, meist noch vor dem Krieg erbaut, standen noch nicht so dicht gedrängt beieinander, wie es heute der Fall ist, sondern waren weitläufig angeordnet und von großen Gärten mit hohen Obst- und Nadelbäumen umgeben. In einem der letzten Häuser des Wohngebietes, da wo der Wiesengrund allmählich in den Mischwald überging, wohnte Elisa Mangold mit ihren drei Kindern. Ihr Haus stand direkt am Wiesenweg, einem kaum befestigten Pfad, der zum Uckersee führte. Dieses Haus schien eines der ältesten zu sein, jedenfalls sah es so aus. Doch diese Tatsache war nur der Mutter bewußt, für die Kinder war das alte Gebäude eben ihr Zuhause und ein einzigartiges Spielparadies. Nirgends war es ihrer Ansicht nach so herrlich wie hier, wo man im Sommer die vielen bunten Schmetterlinge beobachten konnte, die über die Wiesen flatterten, wo Fisch- und Schreiadler ihre Kreise zogen, und wo im Winter, wenn Schnee lag, der Tannenberg zum Rodeln einlud. Aber wie in jedem Paradies gab es auch hier so etwas wie eine Schlange. In diesem Fall handelte es sich um eine Kröte, die an einem Tag im Mai, wahrscheinlich während einer Stunde der geöffneten Tür, im Haus am Wiesengrund Unterschlupf gesucht hatte. Sie war, wie man so schön sagt, der letzte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Elisa Mangold erkannte beim Anblick des kleinen Kriechtieres, daß sie bald etwas unternehmen mußte, damit sie und ihre Kinder unbesorgt in die Zukunft schauen konnten. Ein lautes, langgezogenes »Muuuttiii« ertönte von der Veranda her. Dort stand die neunjährige Anja und wies mit dem Finger entsetzt auf das dicke grünbraune Tier, das seelenruhig in einer Ecke unter einer Blattpflanze saß und keine Anstalten machte, das Weite zu suchen. Elisa Mangold seufzte laut. Man konnte es der Kröte nicht verdenken, daß sie sich in der Veranda häuslich niederlassen wollte.