Der unbekannte Großvater
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Das passiert auch nicht alle Tage. Da kommt einer aus der Schule, wo er vielleicht eine wichtige Mathe-Arbeit versaut hat – die nicht angekündigt war – und wird von einem Mann angesprochen, der behauptet, sein Großvater zu sein. Nein, nicht Großvater Willi, denn den kennt der eine, der übrigens Markus heißt, Markus Stojahn. Aber einen Großvater Paul, den kennt Markus Stojahn nicht.
„Mein Großvater heißt Willi“, sagte Markus. „Er wohnt in Prenzlau.“
„Willi heißt er, so“, sagte der Mann, „aber ein Mensch hat gewöhnlich zwei Großväter. Und ich bin eben der andere.“
Doch Zweifel bleiben. Das versteht Großvater Paul, und er liefert Beweise:
Er entnahm der Brieftasche ein Schwarz-Weiß-Foto, das im Laufe der Zeit bestimmt oft angeguckt worden war, abgegriffen waren die Ecken und das Papier von feinen Rissen durchzogen.
„Schau hin“, sagte der Mann.
Markus erkannte drei Menschen auf dem Foto. Sie standen vor einem Autobus, einer Busart, die er nur vom Hörensagen oder aus alten Zeitschriften kannte, doppelstöckig.
Der Mann wies auf einen Jungen, der in der Mitte stand. Und Markus erkannte seinen Vater Georg, vielleicht so alt wie er heute. Man hätte auch annehmen können, er, Markus, war dort auf dem Foto zu sehen, so groß war die Ähnlichkeit.
„Und hier, wer ist das?“, fragte der Mann.
Es gab keinen Zweifel, das war Oma Renate, nur viel jünger und überhaupt.
„Das ist Oma“, sagte Markus. „Ich kenne auch andere Bilder, auf denen sie so aussieht.“
„Na, siehst du“, sagte der Mann zufrieden. „Das hier ist der Beweis. Schau genau hin.“
Trotzdem bleibt der Mann für Markus ein fremder Mann. Der schreibt seinem Enkel eine Nachricht auf, die er seiner Familie übergeben soll. Als Markus genau das beim Abendbrot tut, löst das unterschiedliche Gefühle aus, verlangt aber zunächst einmal nach der Kunst des Dechiffrierens, wie das die Geheimdienstleute nennen.
Oma Renate blieb in der Tür stehen. Vater setzte das Bierglas ab. Mutter Sabine sah rasch auf Schwiegermutter und Mann und trat auf Markus zu. „Du sagst, er soll herkommen. Übermorgen Abend soll er herkommen. Hier in die Wohnung. Wir werden mit ihm reden.“
Tatsächlich folgt Opa Paul dieser Einladung seiner Schwiegertochter, die einen festlichen Abendbrottisch für fünf Leute gedeckt hat – für Oma Renate, für ihren Mann Georg, den Sohn von Renate und Paul, für sich und für Markus, und - für Opa Paul. Doch am Abend bleiben zwei Plätze leer …
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