Unbequeme Liebe
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Günter Görlich, ein lebens- und schreiberfahrener Mann, hat immer gern Liebesgeschichten geschrieben. Auch das hier ist eine Liebesgeschichte - allerdings eine über eine „Unbequeme Liebe“. Was kann an einer Liebe unbequem sein?
Was ist da passiert?
Thomas schob das volle Schnapsglas fort. Der Wodka roch wie Spiritus. Und noch vor einer Stunde war ihm der Schnaps wie ein Labsal vorgekommen. Er hätte am liebsten das Fenster aufgestoßen, um den dumpfen Schädel im Regen zu kühlen.
Blöder Satz: Das Herz ist wie eine offene Wunde. Hartnäckig haftet er im Kopf und ist doch Kitsch. Wieso Kitsch? Man kann diesen Zustand auch so beschreiben: Zwei waren fast drei Jahre zusammen, man sagt, die haben sich geliebt, haben miteinander geschlafen, es war schön und angenehm. Und nun ist alles vorbei. Man ist aber ein moderner Mensch, hat Prinzipien. Es ist eben vorbei, weil eine nicht mehr will, wahrscheinlich ist ein anderer gekommen, und mit dem will sie jetzt. Das ist, nüchtern gesehen, der Sachverhalt. Was hat das Herz damit zu tun?
Angefangen hatte alles bei einem Volleyballspiel, bei dem er als Volksarmist auf Urlaub für jemanden anderen einsprang: Die Mannschaft, in die er so kurzerhand eingeordnet worden war, sammelte Punkte. Er beobachtete genau die Spieler auf der anderen Seite. Unter denen war ein blondes Mädchen in einem gelben Bikini; wenn ihr heller Schopf über dem Netzrand auftauchte, war er auf alles gefasst. Auch das Mädchen blickte manchmal prüfend zu ihm herüber. Er merkte sich ihren Namen. Ingrid. Damals hatte er sich in Ingrid, die Pädagogikstudentin, verliebt.
Jetzt war es Pfingsten. Pfingstsonnabend. Und der Brief musste geschrieben werden.
Sie wollte bei der Wahrheit bleiben. Ja, sie hatte einen neuen. Horlander heißt der. Er ist Schuldirektor und kennengelernt hatte sie ihn bei einer Art zusätzlichen Schulpraktikums. Anfangs gefiel er ihr gar nicht – zumal er ein kleines Kadergespräch mit ihr führte:
„Lohnt sich nicht bei mir“, sagte Ingrid, „sehr durchschnittlich alles. Studiere jetzt bald vier Jahre. Werde wohl, nach meinen bisherigen Erfahrungen in der Praxis, nur die Hälfte davon gebrauchen können. Habe einen Freund mit Motorrad. Nun, das wär’s. Vielleicht noch eins: Bin im FDGB, im DTSB, in der FDJ und in der DSF. In den beiden letztgenannten Organisationen habe ich Funktionen.“
Ingrid starrte auf den weißen Bogen, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Plötzlich begann sie zu schreiben, so rasch, als hätte sie keine Zeit mehr.