Hüte dein Herz
Leni Behrendt Bestseller 42 – Liebesroman
Description of the book
Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Als das Mädchen Dorothee geboren wurde, gab es glückselige Freude im Hause des Industriellen Sander. Der hünenhafte Vater sah auf das kleine Wesen wie auf ein Weltwunder, und die Augen der Gattin schienen in alle sieben Seligkeiten des Himmels zu schauen. Acht Jahre lang hatte man auf das Menschlein warten müssen, acht Jahre voller Sehnsucht – und jetzt war es endlich da. Was Wunder, wenn die Eltern sich vor Freude kaum zu fassen wußten über diesen Gottessegen. Daß Georg Sander sich eigentlich einen Sohn wünschte, war vergessen. Denn was da vor ihm lag, war sein Kind. Blut von seinem Blut und von dem seines Lieschens, das er trotz eines körperlichen Fehlers geheiratet hatte, weil es so lieb und so gut war. Weil das Pastorentöchterlein sich mit siebzehn Jahren ein silbernes Ringlein an den Finger stecken ließ von dem Glöcknersohn und Kindheitsgespielen, der damals noch die Bank der Obersekunda drückte. Denn die Eltern sparten an allen Ecken und Enden, um ihren Einzigen aufs Gymnasium schicken zu können. Die Vorschule dazu absolvierte der gescheite Glöcknersohn zusammen mit dem Grafensohn, dessen Heimat die feudale Herrschaft Rautenau war, zu der das Kirchdorf gleichen Namens gehörte. Und da der Pastor ein guter Mann war, ließ er den begabten Glöcknersohn an dem Unterricht teilnehmen, den er dem vornehmen Sprößling erteilte. Natürlich mit Genehmigung des Grafen Sölgerthurn, unter dessen Patronat er stand. Sie kamen später auf das Gymnasium der naheliegenden Stadt, die gleichaltrigen Knaben und hielten auch da gute Freundschaft miteinander. Und da Fortuna ja eine unberechenbare Dame ist, so konnte es kommen, daß sie eines Tages den Glöcknersohn mit ihrem Füllhorn förmlich überschüttete – er wurde sozusagen über Nacht ein reicher Mann. Und zwar, als ein längstverschollener Onkel ohne Anhang in Kalifornien starb und seine Millionen somit an seinen Bruder, den Glöckner Sander, fielen. Doch da dieser bereits das Zeitliche gesegnet hatte, bekam den Mammon eben sein Sohn, der sich gerade mit dem Wenigen, was ihm sein Vater hinterlassen konnte, schlecht und recht auf der Technischen Hochschule durchschlug. Es war nun durchaus naheliegend, daß er seinen Freund, den Grafensohn, der die Landwirtschaftliche Hochschule besuchte, bat: »Komm mit mir, Bertram. Steh mir bei in dem kaum Faßbaren, was mich im fremden Land erwartet.« Dazu war der Freund gern bereit. Und sein Vater riet den beiden Dreiundzwanzigjährigen, einen Rechtsbeistand mitzunehmen, was dann auch geschah, sehr zu Nutz und Frommen des jungen Erben.