Wer hier die Fremden sind
Description of the book
„...Auf dem nächsten Zebrastreifen liegt einer auf dem Rücken. Einige Männer und eine Frau mit Einkaufswagen stehen herum, die aber alle nur den auf der Straße Liegenden anstarren und Mutmaßungen anstellen. Ich gehe schnell hinüber, schreie die Leute ein Stück weg und drehe den Alten, dessen Röcheln ich zu hören glaube, zur Seite. Speichel und Speisereste fließen ihm aus dem Mund. Dann drehe ich ihn zurück, lege ihm ein Taschentuch über den Mund und beginne eine Beatmung, wie ich sie erst kürzlich in der Ordination eines praktischen Arztes gesehen habe. Der Kreis um den Unfallort wird wieder dichter. Fast alle rufen Ratschläge durch die Gegend. Nach zehn weiteren Minuten ist die Rettung da. Der Rettungsarzt sagt nach zwei Handgriffen: Der ist schon eine ganze Weile tot; dann ergänzt er: Kreislaufversagen. Er spricht kurz mit einem uniformierten Polizeibeamten, der mittlerweile vom nächsten Wachzimmer geholt wurde. Die Rettung fährt weiter. Ich beginne zu begreifen, dass ich zehn Minuten lang einen Toten beatmet habe...“
Das war Helmut Zenkers erster großer Erfolg, sein 1973 erschienener Roman mit starken autobiografischen Zügen. Das war das Österreich in den Sechziger und Siebziger Jahren. Ein wichtiger Beitrag zum Aufbrechen alter Krusten und Strukturen und ein Vorgriff auf „Kottan“
Helmut Zenker 1949-2003. Seit 1973 freier Schriftsteller, seit 1989 auch Regisseur. Romane, Theater, Kinderbücher, Lyrik, Drehbücher, Comedy, Essays, Comics, Lieder. Seine Bücher sind in 23 Sprachen erschienen.