Wider die kleinen Mörder
Description of the book
Wir schreiben das Jahr 1869. März 1869. Ein junger, zweiundzwanzigjähriger Arzt beendet sein Medizinstudium in Greifswald. Allerdings ungern und erst etwas später, als es seine Mutter und der Bürgermeister seiner Heimatstadt wollen:
Dennoch ertrotzte sich Jacob Robert Andreas Wullwäwer noch das chirurgische Examen. Obwohl Mutter schrieb, sein Vater hätte auch ohne Examen die Kranken behandelt. Überhaupt sei die Chirurgie ein unfeines Geschäft.
Aber Jacob, ihr Sohn, tat, was er für notwendig hielt. Nahm sogar noch an einem Operations-Kursus teil. Das eigentlich, um sich nicht vom Labor und von der Universitätsbibliothek trennen zu müssen. Nur im Labor würde er den kleinen Mördern auf die Schliche kommen, glaubte er.
Um welche kleinen Mörder geht es? Gemeint sind Bakterien, an die auch sein kurz zuvor angeblich an einer Blutvergiftung verstorbener Vater, ebenfalls Arzt, nicht geglaubt hatte:
Nie hatte sich Dr. med. Robert Wullwäwer von seiner Uhr getrennt. Das kühle Metall zwischen den Fingern spürend, begriff Jacob endgültig: Vater ist tot.
„Eine Blutvergiftung war's?“, fragte der Sohn.
„Wahrscheinlich.“
Die hätte er vermeiden können, dachte Jacob. Aber Vater glaubte nicht an Bakterien. „Ich hab noch keine gesehen“, pflegte er zu sagen. Das war die Wahrheit. Gesehen hatte auch Jacob sie noch nicht. Trotzdem war er überzeugt, dass sie existierten. Ebenso war Jacob davon überzeugt, dass seine beiden kleinen Schwestern von Bakterien umgebracht worden waren, wenn es auch hieß, sie seien an der Halsbräune gestorben. Erstickt. Zuerst Friederike. Drei Stunden später Katerina. Friederike im Alter von acht Jahren, drei Monaten und fünf Tagen. Katerina wurde nur sechs Jahre, einen Monat und sieben Tage alt.
Der junge Arzt, der seinen ersten Fall übernommen hatte, der ihm gleichsam vor die Postkutsche gelaufen war, noch bevor er überhaupt richtig zu Hause angekommen war, wollte am liebsten in einem Laboratorium mit dem Mikroskop herausfinden, ob es diese Bakterien wirklich gab und wie man sie am besten bekämpfen konnte. Und der arme Junge, den Wullwäwer ins Armenhospital eingewiesen hatte und dessen gebrochenes Bein er selbst behandelte, wurde zu einem Experiment in den Antworten auf eine medizinische Gretchenfrage: Wie hast du’s mit Bakterien?
Die Position des jungen Landarztes war umso schwieriger, da damals selbst große Mediziner die Existenz von Bakterien total ablehnten. Würde er dem Jungen und der medizinischen Wissenschaft helfen können?
Format:
Language:
German