Die Waisen
Om bogen
Die Kleine steckte das Köpfchen zur Türe herein, die Schürzenzipfel zwischen den Fingern zusammendrehend, und sagte: „Ich bin da.” Da sie aber von niemand bemerkt wurde, warf sie den Weibern, die mit dem Kneten des Brotteiges beschäftigt waren, der Reihe nach einen zaghaften Blick zu und fing von neuem an: „Sie haben mir gesagt: geh’ zur Comare Sidora.” – „Komm her, komm her”, rief Comare Sidora, die am Backofen stand, rot im Gesicht wie ein Granatapfel; „warte einmal, ich mach’ dir ein hübsches Stück Kuchen zurecht.” – „Wenn sie das Kind fort geschickt haben, so bedeutet dies, dass Comare Nunzia mit den heiligen Sterbesakramenten versehen”, bemerkte die Licodiana.
Giovanni Verga, geb. 2.9.1840 in Catania, gestorben 27.1.1922 in Catania, war einer der bedeuteten Schriftsteller Italiens und Hauptvertreter der italienischen Literaturströmung des „Verismus“. Er wurde in eine wohlhabende Familie mit einer teilweise aristokratischen Vergangenheit geboren. Unter dem Einfluss eines nahen Verwandten schreibt er historisch-romantische Romane. Bekannt und bedeutend wird Verga allerdings erst in seiner letzten Schaffensphase, in der er das bäuerliche Sizilien in den Blickpunkt seiner Arbeiten stellt: seine beiden Erzählbände „Vita dei campi“ (1880), „Novelle rusticane“ (1883), Seine „Cavalleria rusticana“ war der Grundstoff der gleichnamigen Oper von Pietro Mascagni. In dieser Zeit sind es insbesondere „I vinti“ (dt.: die Besiegten), die das Werk Vergas prägen. Verga lenkt seinen Blick somit auf reale, vorhandene, soziale Umstände und wurde damit der Begründer des italienischen Neorealismus, der nach dem 2.Weltkrieg vor allem im Filmschaffen enormen Einfluss gewann.