Der Bundespräsident spricht qua Amt «im Namen der Deutschen», auch und gerade, wenn es um die NS-Vergangenheit geht. Für Theodor Heuss und seine Nachfolger zu Zeiten der Bonner Republik – Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carsten und Richard von Weizsäcker – war das immer auch ein Sprechen über die eigene Zeitgenossenschaft. Norbert Frei zeigt in seinem glänzend geschriebenen, mitunter atemverschlagenden Buch, wie dabei die persönliche Vergangenheit beschwiegen und zugleich der Ton für das Reden über Nationalsozialismus und Holocaust in einer Gesellschaft gesetzt wurde, die erst lernen musste, sich ihrer Geschichte selbstkritisch zu stellen.
Richard von Weizsäcker war der letzte Bundespräsident, der die Jahre des Zweiten Weltkriegs noch als damals schon erwachsener Zeitgenosse erlebt hatte. Der weltweite Ruhm für seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 erklärt sich auch vor diesem Hintergrund. Mit Weizsäckers Präsidentschaft endet dieses Buch, das mit Theodor Heuss beginnt, der als erstes Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland Formen und Wege finden musste, «im Namen der Deutschen» über die Verbrechen des «Dritten Reiches» zu sprechen.
Norbert Frei, einer der renommiertesten Zeithistoriker der Gegenwart, folgt in seiner brillanten, minutiös aus den Quellen gearbeiteten Darstellung den gewundenen Wegen, auf denen im präsidialen Reden auch zu schweigen zur staatsmännischen Kunst und respektierten Praxis wurde.